Amazon Kindle

Amazon Kindle

Für ein paar Tage habe ich zwei aktuelle E-Book-Reader, die dieses Jahr nach Deutschland kommen sollen, mit auf eine Reise genommen und verglichen: den Sony E-Book-Reader PRS 505 und einen Amazon Kindle. Zu meinem eigenen Erstaunen habe ich eine regelrechte Begeisterung für die Geräte entwickelt und sehe eine Revolution des Lesens.

Beide Geräte musste ich bei obskuren ebay-shops ordern und mühevoll durch den deutschen Zoll schleusen, gesponsort von www.copernicussystems.net. Und da in Deutschland noch nicht eingeführt, natürlich auch nicht komplett funktionsfähig. Trotzdem haben mich beide Geräte begeistert und ich fiebere der Markteinführung entgegen, um eins zu kaufen. Insbesondere Kindle hat das Zeug, den Umgang mit Büchern zu revolutionieren. Der nachfolgende Text setzt ein klein wenig Grundwissen über die Geräte voraus; wer sich noch nie damit beschäftigt hat, schaue sich einfach im Web ein paar Videos an: eine 2-Minuten-Einführung zum Kindle oder eines von Sony über das Nachfolgemodell zum PRS 505.

Auspacken und starten

Verpackungen Kindle links, Sony rechts

Verpackungen Kindle links, Sony rechts

Während Sony sich sparsam zeigt, kommt der Kindle in doller buchähnlicher Verpackung zum Aufschlagen. Ausgepackt der umgekehrte Eindruck: Der Sony chic und elegant, der Kindle eher im Weiße-Ware-Charme, erinnert mehr an an die Bedienoberfläche einer Waschmaschine. Bei www.conrad.de war noch schnell der nötige Adapter für das amerikanische Netzteil besorgt. Dünne gedruckte Anleitungen liegen bei, machen mich aber nicht an; ich schaue lieber genau hin, denn die Geräte sind für jemanden mit etwas Computerkenntnis selbsterklärend: Wer iPods und Digicams an den Rechner bekommt, hat auch damit keine Schwierigkeiten. Beide Geräte verfügen über einen Mini-USB-2.0-Anschluss (Kabel liegen bei) und werden von beliebigen aktuellen Rechnern als Laufwerke erkannt. So lassen sich per Drag-and-drop erste Dateien auf die Reader spielen. Vorinstalliert sind nur die etwas drögen Bedienungsanleitungen. Diverse Text-, PDF- und HTML-Dateien, auch ein paar MP3s, die auf meinem Desktop und in der Nähe liegen, kopiere ich auf die Geräte. Und siehe da: eine Menge davon kann ich lesen. Also schon nach wenigen Minuten ein geglückter Start.

Erste Erkenntnis: Muße ist nötig

Sony 505

Sony PRS-505

Nach anfänglicher Ablehnung (noch ein Gerät in der Tasche, noch mehr Netzteile, zu empfindlich für Strand und Badewanne, blödes Rechtemanagement, mangelnde Ästhetik  und was einem sonst noch einfällt, wenn der Stresspegel zu hoch ist) hatte ich über die Festtage auf Hiddensee dank Laptop-Verbot meiner genialen Partnerin die nötige Zeit, mich mit den beiden Geräten etwas intensiver auseinanderzusetzen. Erste Erkenntnis: Ich brauche Muße, um mich auf ein neues oder zumindest sehr modifiziertes Medium einzulassen. Die Geräte sind zwar genauso groß und schwer wie Taschenbücher, aber lassen sich nicht ganz so halten. Nach ein paar Stunden hatte ich die anderen Hand- und Körperhaltungen gefunden, die mir bequemes Lesen ermöglichen. Mit dem Kindle ist das Umblättern sogar bequemer als bei einem konventionellen Buch. Im Vergleich zu dem Aufwand, eine neue Tango-Figur oder ein Computerspiel zu erlernen waren das vergleichsweise geringe Anpassungsschwierigkeiten.

Bunt und bewegt: Fehlanzeige

Die Displays haben ein hohe Auflösung, sind aber sehr langsam, brauchen systembedingt ca. 1 Sekunde, um ein neues Bild aufzubauen und können nur Schwarz oder Weiß anzeigen. Grautöne müssen durch Dithering erzeugt werden, was aufgrund der hohen Auflösung von 167 dpi allerdings recht gut gelingt. Graustufenbilder sehen durchaus gut aus auf dem Display. Der recht langsame Bildschirmaufbau entspricht dem Umblättern im Buch, ist aber natürlich zu langsam für Videos und Spiele – außer Schach.

Sound

Beide Geräte verfügen über einen Kopfhöreranschluss, der Kindle auch über einen Lautsprecher. Ich denke: bestimmt zum Musikhören während des Lesens. Doch ich vermisse eine gute Bedienbarkeit, Playlisten-Zusammenstellungen etc., was mich besonders bei Sony wundert. Das systematische Studium der Amazon-Bedienunganleitung offenbart den Hintergrund: Amazon vertreibt auch Hörbücher über seine  Schnittstelle. Das Abspielen von Musik ist bei Amazon nur „experimentell“, bei Sony wird immerhin noch der Titel angezeigt.

Lesestoff besorgen

Hundert Gratis-Bücher verspricht Sony auf seiner Webseite. Diese werden natürlich nicht einfach auf dem Reader vorinstalliert, sondern müssen im Sony-Shop „gekauft“ werden für jeweils 0,00 €. Alle selbstverständlich auf Englisch. Dazu muss man nur die Reader-Software und den Treiber auf einem Windows-PC (nein – natürlich keine Apple-Treiber) installieren und den Reader im Sony-Shop registrieren. Nach verschiedenen Neustarts funktioniert das Ganze dann auch.

Interessant ist die nahtlose Integration von Adobes Digital Editions, das aufgrund der PDF-Basis eine Menge schöner Formatierungen erlaubt und durch das dort ausgeklügelte Rechtemanagement so etwas erlaubt, wie Bücher aus Bibliotheken auszuleihen. Letzteres konnte ich nicht testen, da in Deutschland natürlich noch niemand mitmacht.

Auch nicht zu testen ist die wichtigste Innovation von Amazon: Die Mobilfunkschnittstelle Whispernet. Derzeit lässt sich nur in den USA der Kindle mit aktuellen Büchern, Zeitungen etc. beladen. Er klinkt sich einfach in ein übliches Handynetz ein und die Bücher (genauer: gekaufte Medien) werden auf das Gerät übertragen. Nach der Registrierung hat jedes Lesegrät auch eine eigene E-Mail-Adresse, mit der man Word-Dateien etc. an seinen Kindle schicken kann. Die Konvertierung in das Kindle-Format übernimmt Amazon. Der Kindle lässt sich in den USA damit ohne eigenen Computer voll nutzen, also ein echtes Gerät für „digitale Nomaden“ und damit auch für Menschen mit geringsten Computerkenntnissen bedienbar. Die Mobilfunkkosten sind mit dem Kauf des Gerätes und den Downloads abgegolten, werden also nicht berechnet. Besonders am Kindle ist auch die Tastatur, mit der man suchen kann: im eigenen Gerät (hat mir interessante neue Literaturstellen gezeigt) und zusätzlich (gratis!) in der Wikipedia und – prima Geschäftsidee – im Amazon-Shop (Search inside the book) mit der Möglichkeit, die Bücher gleich zu bestellen oder gar herunterzuladen.

Ich habe mir fürs Testen verschiedene freie E-Books (leicht zu googeln oder bei Adobe) auf den Rechner geladen und zahlreiche deutsche Klassiker konvertiert, also nahezu ausschließlich Belletristik. Von der DVD des Gutenberg-Projektes habe ich die XML-Dateien genommen, Endung in HTML geändert und mit Konvertern wie dem guten alten Mobipocket-Reader/Creator (für Kindle) oder Calibre (für Sony) auf die entsprechenden Reader-Formate gebracht und über die Programm-Schnittstellen bzw. den Windows-Explorer auf die Geräte übertragen.

Der Sony-Reader glänzt damit, dass er viel mehr E-Book-Formate (epub, BeBook, PDF ….) von sich aus interpretieren kann, Kindle dadurch, dass andere Formate sich mit der Mobipocket-Software (s.o.) sehr leicht in das gut eingeführte Format konvertieren lassen. Mit ein wenig Probieren lassen sich schnell eine Menge spannender Texte auf den Reader bringen.

Die Konvertierung war nicht immer toll, Links zu Überschriften gehen schon mal verloren, Verfassernamen werden falsch interpretiert usw., lassen sich aber meist von Hand korrigieren.

Lesevergnügen gesteigert

Ich habe mehrere Bücher und Novellen komplett gelesen, in einigen sehr umfangreichen Werken durch die Suchfunktion Neues entdeckt. Die Geräte bieten echte Mehrwerte gegenüber dem klassischen Buch. Umblättern geht beim Kindle prima, beim Sony sind die Tasten recht schwergängig, auch in der Navigation liegt der Kindle eindeutig vorn mit Ausklappmenüs, die einen schnell an das gewünschte Ziel führen, während ich mich beim Sony umständlich im Menübaum auf- und abwärts hangeln muss.

Die Geräte verbrauchen tatsächlich kaum Strom, auch nach tausendmal Umblättern kaum Akkuladung verbraucht.

Die Schrift ist gestochen scharf, lässt sich in der Größe anpassen, bei Sony sind auch allerlei Schriftarten möglich. Lesen lässt sich gut, sobald man die richtige Haltung gefunden hat. Da die Geräte nur um die 300 Gramm wiegen, lassen sie sich einfacher handhaben als mancher schwerer Hardcover-Band. Auch das Urlaubsgepäck wird erheblich leichter. Und das Problem des Aufschlagens bei Taschenbüchern entfällt. Bei sehr schlechten Lichtverhältnissen (Taschenlampe) ist das gedruckte Buch überlegen, bei gewöhnlicher Zimmerbeleuchtung oder guter Nachttischlampe lässt sich prima auch auf den fast gar nicht spiegelnden Displays lesen. Sehr gewöhnungsbedürftig waren für mein Typografenherz die häufigen Hurenkinder und der aufgrund der langen deutschen Substantive grässliche Blocksatz.

Fürs eindrückliche Leseerlebnis und den Wunsch nach mehr hat es trotzdem gereicht, ein richtig spannend geschriebenes Buch drängt sich auch durch schlechte Typografie und Navigation zum Leser. Das Lesevergnügen konnte ich eher steigern als senken. Und ich kann bereits ohne Mobilfunkschnittstelle Oprah Winfrey nachfühlen, die den Kindle ihr Lieblings-Gadget genannt hat.

Dass sich die Schriftgröße stark verstellen lässt, macht die Geräte für Menschen mit Sehbehinderungen höchst attraktiv: Endlich können alte Menschen aktuelle Bestseller lesen, ohne auf die Großdruckausgabe zu warten. Gut strukturierte E-Books könnten in naher Zukunft von diesen Geräten auch einfach vorgelesen werden.

Fazit

Beide Geräte haben ihren Charme. Sony hat eine richtig gute neue Technik als erste Firma und zwar nicht schlecht, aber im Vergleich zu Amazon phantasielos und ohne knallendes Geschäftsmodell umgesetzt – und wird ähnlich wie beim iPod die Marktführerschaft mal wieder anderen überlassen, die eine Sache richtig gut vereinfacht haben: Diesmal den Leuten von Amazon, die mit der Mobilfunk-Anbindung das ganze Gefrickel mit Treibern, Downloads etc. umgangen haben, eine Suchfunktion und Kommentare integriert haben, mit der Zeitungsauslieferung ein neues Geschäftsmodell gefunden haben und auch gleich richtig neue Bestseller von führenden Verlagen im Angebot haben. Nun wird es spannend, wann die Geräte nach Deutschland kommen und ob Libri und Sony samt Thalia mit ihrem Modell noch etwas ausrichten können oder ob das E-Book-Geschäft an den deutschen Buchhändlern komplett vorbeigehen wird. Der Sony-Reader begeistert noch mit seiner Offenheit und Integrationsfähigkeit bei den Formaten (es erlaubt zum Beispiel auch das Ausleihen von Büchern) ist aber eben etwas umständlich: Auf dem chicen teuren Notebook, auf dem ich diesen Artikel schreibe, funktioniert das Ganze nämlich schon mal nur mit umständlicher Installation auf dem Windows-Emulator, was auszuprobieren ich noch nicht recht Lust hatte. Also gibt es einen klaren Favoriten für die nächste Anschaffung. Die bereits angekündigten Nachfolgemodelle haben einen Touchscreen und erweitern damit ihre Möglichkeiten nochmals ganz gewaltig – ein Grund mehr, sich auf die Markteinführung in Deutschland zu freuen. Oder kommt Apple noch zuvor mit etwas ganz Neuem? Auf dem iPhone soll es sich auch recht gut lesen lassen …

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